Worum es geht: Forschende äußern ihren Zweifel daran, dass Kläranlagen in der Lage sind, Mikroplastik aus dem Abwasserstrom herauszufischen. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Um den Eintrag kontrollieren zu können, sei eine „effektive Detektion des Mikroplastiks und das Verständnis seines Vorkommens und Verbleibs in Kläranlagen erforderlich“. Wie hierbei vorgegangen werden kann, wurde im Verbundprojekt RUSEKU unter Leitung von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) am Beispiel des Abwassersystems der Stadt Kaiserslautern ergebnishaft dokumentiert.     

Die Aufgabenstellung: In Ermangelung harmonisierter Verfahren zur Probenahme, Probenvorbereitung und Mikroplastikdetektion, ließen sich Altman et al. bei der Wahl ihrer Methoden vom Untersuchungsziel leiten: „Identifizierung von Mikroplastikpfaden innerhalb eines typischen europäischen städtischen Abwassersystems“.  

Das Problem: Üblicherweise für die Mikroplastikanalyse eingesetzte mikrospektroskopische Methoden (μ‐FTIR und oder µ-Raman-Spektroskopie) liefern detaillierte Informationen über Mikroplastik wie Anzahl der Partikel und deren Größe – Angaben, die unerlässlich seien für die Bewertung ökotoxikologischer Fragen. Regulatorische Anforderungen, an deren Beantwortung die Forschenden interessiert seien, erfordern andere Methoden, die auf rasche und robuste Weise Auskunft geben über den IST-Zustand, sprich die in den Proben vorliegenden Polymertypen und Gesamtmassen.  

Die Lösung: Altmann et al. wählten die Thermoextraktion/Desorption‐GC/MS (TED-GC/MS). Diese Methode ermöglicht es, schnell, sicher und unkompliziert Typ und Massengehalt von in realen Umweltproben enthaltenen Polymerrückständen zu bestimmen. Die TED-GC/MS kombiniert den Mehrwert des großen Probevolumens der thermogravimetrischen Analyse mit den sehr niedrigen Nachweisgrenzen der GC/MS-Technologie. Sie ermöglicht die Bestimmung jedweder Art von Mikroplastik und deren Identifizierung und Quantifizierung in repräsentativen Probemengen. Und die TED‐GC/MS bietet als thermoanalytisches, integrales Verfahren den zusätzlichen Mehrwert, Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) detektieren zu können, der mit Reifenabrieb assoziiert wird und in realen Umweltproben zu finden ist. Mittels der TED-GC/MS lassen sich sowohl Mikroplastikpartikel bestimmen als auch nanokleine polymere Strukturen.  

Die Probenahme: Altmann et al. nahmen an verschiedenen Stellen Proben mittels fraktionierter Filtration über Filter unterschiedlicher Maschenweiten (5, 50, 100 und 500 µm) zogen. Beprobt und untersucht wurden Grauwasser, Mischwasser sowie der Zu- und Ablauf einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage (ARA) respektive eines Klärwerks.  

Das Analysensystem: Das verwendete TED-GC/MS bestand aus einer TGA2 (Mettler Toledo GmbH), die Bestimmung der Zersetzungsprodukte erfolgte auf einen 7890 GC mit 5977B MS (Agilent Technologies), die Automatisierung erfolgte unter Einsatz eines MultiPurpose-Samplers (GERSTEL-MPS). Diese Systemkombination ermöglicht die Identifizierung und Massenbestimmung von Mikroplastik und damit deren Abgrenzung und Unterscheidung von in Wasser- und Umweltproben vorkommenden natürlichen Partikeln [23]. Mehrfach deuteriertes Polystyrol (m/z=96) diente als interner Standard. 

Details der Messung: Die bei Temperaturen bis 600 °Celsius resultierenden Zersetzungsgase wurden auf einem Sorptionskörper (PDMS) abgeschieden und angereichert, der automatisiert zur ThermalDesorptionUnit (GERSTEL-TDU) überführt und temperaturprogrammiert ausgeheizt wurde. Die freigesetzten Analyten wurden im KaltAufgabeSystem (GERSTEL-KAS) des GCs kryofokussiert und durch aufheizen auf die GC-Säule (HP5-MS, 30m x 0,25 mm, 0,25 µm, Agilent Technologies) überführt. Diese Systemkonfiguration erlaubt es, große, repräsentative Mengen an Probe aufzugeben, ohne die GC-Säule zu überladen und das System zu kontaminieren.  

Das Ergebnis: Altmann et al. haben die höchsten Polymergehalte am Anfang des Abwasserverlaufs gefunden, sprich im Grau- und Mischwasser sowie im Zulauf der Kläranlage. Gefunden hätten die Forschenden vorwiegend drei Polymere: Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS). Im Zulauf des Klärwerks wurden neben den genannten weitere Polymerarten wie Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) gefunden. Blick auf die Details der Messung (mg-Angabe beziehen sich auf 1000 L):  

  • Grauwasser: 32,0 bis 243,1 mg (PE), 2,1 bis 6,2 mg (PP), 0,1 bis 0,3 mg (PS) 
  • Mischwasser: 0,6 bis 992,2 mg (PE), 0,8 bis 75,7 mg (PP), 0,3 bis 46,7 (PS) 
  • Zulauf: 5,7 bis 114,9 mg (PE), 1,5 bis 11,7 mg (PP), 0,2 bis 15,6 (PS) und 1,8 bis 18,0 mg (SBR) 

  Im Ablauf der Kläranlage fanden Altmann et al. folgende Mengen besagter Polymere: 

  • Ablauf: 2,7 bis 11,8 mg (PE), 0,2 bis 1,6 mg (PP), 0,1 bis 0,2 mg (PS) und 0,1 bis 0,3 mg (SBR).  

Der Vergleich aller untersuchten Proben ergab, dass „trotz der universellen Dominanz von PE die Proben eine hohe Varianz aufweisen“. Laut Altmann et al. wurden Partikel aus PE, PP und PS zwar an allen Probenahmestellen gefunden, nicht aber in allen Filterfraktionen und auch nicht mit ähnlichen Gehalten. Zeitliche oder saisonale Trends ließen sich nicht ableiten, schreiben die Forschenden. In keiner ihrer Proben aber, waren sie auf Rückstände von Polyethylenterephthalat (PET) oder Polyamid (PA) gestoßen, sprich auf Polymere, die in großem Umfang in Textilien verarbeitet werden. Diese Beobachtung erfordere sicherlich eine genauere Untersuchung, könnte allerdings bereits darauf hindeuten, dass moderne, im häuslichen Umfeld eingesetzten Waschvollautomaten weniger Mikroplastik freisetzen, als gemeinhin angenommen wird. (GD) 

Alle Details zur Arbeit von Altmann et al. und deren Interpretation der Messwerte unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/appl.202200078 

Weight
1107